Nord

Vorstand

Einwendung des VCD Nord im Rahmen des Planfeststellungsverfahren S 4 (Ost), PFA 3

Der vollständige Text der Einwendung des VCD Nord.

Kurzfassung

Aus Sicht des VCD Nord wird mit der vorgelegten Planung eine Engstelle an der höhengleichen Einfädelung in Ahrensburg-Gartenholz geschaffen, die Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Infrastruktur zur Bewältigung der geplanten Betriebsprogramme begründet. Es besteht die Gefahr, dass entweder die geplanten Verkehre gar nicht oder nur mit erheblichen betrieblichen Einschränkungen möglich sein werden, da es bei den auf die Bestandsinfrastruktur wechselnden S-Bahnen zu Konflikten mit dem Gegenverkehr kommt. Dies steht dem Ziel der Entflechtung der Verkehre, welches diese Planung verfolgt, entgegen. Im Ergebnis wird dies zu einer schlechten Betriebsqualität der S 4 führen, die erhebliche Auswirkungen auf das restliche S-Bahn-Netz hat.

Vorbemerkung

Die Bahnstrecke Hamburg-Lübeck ist die Bahnstrecke mit den höchsten Fahrgastzahlen in Schleswig-Holstein. Mit der Fertigstellung des Fehmarn-Belt-Tunnels werden zusätzliche Verkehre des Schienenpersonenfernverkehrs und des Schienengüterverkehrs auf diese Verbindung verlagert. Zudem ist ein weiterer Ausbau des Regionalverkehrs für die Mobilitätswende und die Erreichung der Klimaziele erforderlich. Das Projekt S 4 (Ost) ist aus Sicht des VCD Nord geeignet, die vorhandenen Engpässe auf der Strecke Hamburg-Lübeck und im Hamburger Hauptbahnhof zu beseitigen bzw. zu reduzieren. Gleichwohl ist es entscheidend, dass die S 4 (Ost) so umgesetzt wird, dass durch diese keine neuen Engpässe geschaffen werden. Aus Sicht des VCD Nord besteht diese Gefahr durch die vorliegende Planung im Bereich der Einbindung der S-Bahn-Strecke in Ahrensburg-Gartenholz.

Geplanter Ausbauzustand

Die vorliegende Planung sieht eine höhengleiche Einbindung der neu zu errichtenden Strecke 1249 (S-Bahn) in die Strecke 1120 (Fernbahn) im Bereich Ahrensburg-Gartenholz vor. Diese Planung ist das Ergebnis einer eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Untersuchung (EBWU) aus dem Jahr 2015, die eine Kostenreduzierung gegenüber der in der Vorplanung favorisierten Variante mit einem separaten S-Bahn Gleis bis Bargteheide und eine höhengleiche Einbindung dort zum Gegenstand hatte. Dies führt bei einem geplanten 20-Minuten-Takt zwischen Ahrensburg-Gartenholz und Bargteheide in der Hauptverkehrszeit zu drei Zugfahrten der S-Bahn pro Stunde, die das Richtungsgleis Lübeck-Hamburg der Strecke 1120 höhengleich kreuzen müssen (Fahrstraße vom östlichen Bahnsteig Ahrensburg-Gartenholz über die Weichen 371A, 372A, 374A, 4, 3 und 2 in das Richtungsgleis Hamburg-Lübeck der Strecke 1120).

Untersuchung der höhengleichen Einfädelung in der EBWU

Die EBWU zum Nachweis der Streckenkapazitäten liegt den Planfeststellungsunterlagen als Anlage 1 bei, allerdings nur in Form einer Präsentation im Umfang von 15 Folien, die nach den einleitenden Kapiteln „Ergebnisaussagen und Interpretation der Ergebnisse“ und „Aufgabenschwerpunkte und Grundlagen“ abbricht. Insbesondere ist der Abschnitt „Untersuchungsdurchführung und Berechnungsergebnisse“ nicht im ausgelegten Auszug enthalten. Damit ist mit den ausgelegten Unterlagen nicht nachvollziehbar, dass eine Reduzierung der Infrastruktur gegenüber der ursprünglichen Planung nicht zu erheblichen betrieblichen Einschränkungen durch die höhengleiche Einfädelung im Bereich Ahrensburg-Gartenholz kommt. Im Gegenteil: In der Präsentation heißt es „Als besondere Konfliktpunkte haben sich Behinderungen zwischen der S-Bahn (S 4) und Zügen der Fernbahn im Ausfahrbereich Bargteheide und Ahrensburg-Gartenholz ergeben“ (Anlage 1 zum Erläuterungsbericht, S. 6). Aus Sicht des VCD Nord begründen die ausgelegten Unterlagen in Verbindung mit den folgenden überschlägigen Überlegungen Zweifel an einer ausreichenden Streckenkapazität für das geplante Betriebsprogramm auf der Strecke Hamburg-Lübeck.

Betrachtung der geplanten Verkehrsmengen

Die Belastung der Strecke 1120 ist in den ausgelegten Planunterlagen nur in Tag- und Nachtsummen angegeben. Für die weiteren Betrachtungen wird zunächst folgendes angenommen:

  1. Die Tag/Nacht-Teilung erfolgt um 06:00 Uhr / 22:00 Uhr

  2. Die Zugfahrten verteilen sich gleichmäßig über die beiden Zeitabschnitte

(2) kann nur als grober Überschlag angenommen werden, da sich insbesondere das Fahrgastaufkommen im Regionalverkehr stark in den beiden Hauptverkehrszeiten morgens und abends konzentriert ist und deshalb hier zusätzliche Verstärkerleistungen im Fahrplan Berücksichtigung finden müssen. Das genaue geplante Fahrplankonzept ist daher aufgrund der Durchschnittswerte geschätzt. Deshalb sollen die folgenden Ausführungen nur als grober Anhalt dienen.

Tabelle : Belastung der Strecke 1120 zwischen Ahrensburg-Gartenholz und Bargteheide

Zugart

Anzahl Tag

Anzahl Nacht

? Anzahl pro Stunde und Richtung

Anzahl in HVZ pro Stunde und Richtung

Güterzug

56

35

1,75

1,5

Fernverkehr
(IC und ICE)

21

3

0,66

1

Regionalverkehr

70

16

2,19

3

Da die Ergebnisse der EBWU wie beschrieben nur unvollständig zur Verfügung stehen, soll das im Rahmen dieser Einwendung beschriebene Problem anhand anderer, frei zugänglicher Unterlagen untermauert werden. Im „Abschlussbericht zum Zielfahrplan Deutschlandtakt“ ist ein Zeit-Weg-Diagramm des Zuglaufabschnitts Lübeck-Hamburg enthalten (siehe ).

Das Zeit-Weg-Diagramm zeigt den Fahrplan zwischen 18:00 Uhr und 20:00 Uhr. Die S-Bahn soll zwischen den Abschnitten Ahrensburg-Gartenholz und Bargteheide in der Hauptverkehrszeit im 20-Minuten-Takt verkehren. Der genaue Zeitraum dieses 20-Minuten-Takts ist den Planunterlagen nicht zu entnehmen. Deshalb betrachten wir vergleichend den Fahrplan der S1 nach Wedel: Hier wird in der Hauptverkehrszeit der übliche 20-Minuten-Takt auf einen 10-Minuten-Takt verdichtet. Dies geschieht zwischen 15:00 Uhr und 20:00 Uhr (erste Abfahrt um 15:03 Uhr ab Wedel, letzte Abfahrt um 20:03 Uhr ab Wedel). Wir nehmen auch für die S 4 (Ost) nach Bargteheide eine Hauptverkehrszeit zwischen 15:00 Uhr und 20:00 Uhr an. Der abgebildete Bildfahrplan liegt also vollständig in der Hauptverkehrszeit. Es fällt auf, dass die S-Bahn hier augenscheinlich nur im 60-Minuten-Takt auf dem gesamten Laufweg auf der Strecke 1120 berücksichtigt ist. Für den Abschnitt Gartenholz-Bargteheide werden deshalb die HVZ-Verdichtungen ergänzt (eigene Ergänzung in blau in ).

Zudem fällt auf, dass der Punkt der Einfädelung dichter am Bf. Bargteheide als am Bf. Ahrensburg-Gartenholz liegt. Dies entspricht nicht den Planunterlagen. Zudem ist die Geschwindigkeit langsamer als im Abschnitt Bargteheide-Kupfermühle. Im Rahmen dieser Einwendung kann nicht geklärt werden, weshalb der Punkt der Einfädelung und die Geschwindigkeit hier so angenommen wurden, wir werden die Punkte und Geschwindigkeiten deshalb wie im Deutschlandtakt-Gutachten übernehmen.

 

 

Abbildung : Weg-Zeit-Diagramm der Strecke 11201, ergänzt um S-Bahn Verstärker und Konflikte

Im Bildfahrplan sind sogenannte Flexi-Trassen enthalten (Cyan). Sie stellen eine Ausbaureserve des Deutschlandtakts dar und sind nicht in der Nachfrageprognose 2030 enthalten. Aus diesem Grund sollen sie auch für diese Betrachtung nicht herangezogen werden. Werden diese ignoriert, so ergeben sich im Bildfahrplan für den betrachteten Zeitraum drei SGV-Trassen pro Richtung, was dann mit dem erwarteten Verkehr aus den Planunterlagen übereinstimmt.

Im Bildfahrplan ist nur jeweils eine FV-Trasse pro Richtung im betrachteten Zeitraum enthalten. Unter der Annahme, dass auch der FV in den Hauptverkehrszeiten morgens und abends verstärkt ist, um den rechnerischen Verkehr von 0,66 Zügen pro Stunde und Richtung über den Tag zu verteilen, so fehlen diese zwei Trasse im vorliegenden Bildfahrplan. Sie werden nicht ergänzt, allerdings stellen sie eine weitere Streckenbelastung dar, die hier offensichtlich nicht berücksichtigt wurde.

Betrachtung von Konflikten im Zeit-Weg-Diagramm

Wird der für den Deutschlandtakt entwickelte Bildfahrplan zugrunde gelegt, zeigt sich, dass es bei fünf von sechs Einfädelungen im Ahrensburg-Gartenholz im untersuchten 2-Stunden-Zeitraum zu Konflikten kommt (rote Kreise):

  • Die Einfädelung um 18:35 kreuzt den entgegenkommenden Regionalexpress

  • Die Einfädelung um 18:55 erfolgt unmittelbar in den Regionalexpress Richtung Lübeck

  • Die Einfädelung um 19:15 kreuzt einen entgegenkommenden Güterzug

  • Die Einfädelung um 19:35 kreuzt wiederum den entgegenkommenden Regionalexpress

  • Die Einfädelung um 18:55 erfolgt wieder unmittelbar in den Regionalexpress Richtung Lübeck

Zudem ist auch die Verstärkerfahrt um 18:22 aus Bargteheide nicht konfliktfrei möglich, da ein schnelllaufender Güterzug auf die S-Bahn auffährt.

Im Zweifel ließen sich diese Konflikte durch Fahrplananpassungen möglicherweise beseitigen. Allerdings ist es höchst zweifelhaft, ob der dann entstehende Fahrplan real mit der notwendigen Betriebsqualität umzusetzen wäre, schließlich sollen die Züge der S 4 in Hasselbrook in eine mit 2 Zügen pro 10 Minuten belastete Strecke einfädeln, ab dem Hauptbahnhof fahren dann insgesamt 4 Züge pro 10 Minuten. Eine Verspätung von zwei Minuten im S-Bahn-Verkehr hätte also schon erhebliche Rückwirkungen auf das gesamte S-Bahn-Netz. Die Hauptkonfliktpunkte liegen zwar auf den Fahrten in Richtung Bad Oldesloe, aber eine Übertragung auf die wendenden Züge ist wohl kaum zu vermeiden. Zudem würden sich erhebliche Übertragungen auf den Regional-, Fern- und Güterverkehr auf dieser nach Eröffnung des Fehmarn-Belt-Tunnels so wichtigen Trasse in Richtung Skandinavien.

Minderung der Streckenkapazitäten aufgrund der Entwurfsgeschwindigkeiten

Die Einfahrt der S-Bahnen in den Bahnhof Ahrensburg-Gartenholz erfolgt mit einer Entwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h. Die Entwurfsgeschwindigkeit der restlichen Strecke 1249 beträgt 140 km/h, was auch der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der einzusetzenden Triebfahrzeuge der DB-Baureihe 490 entspricht. Nach den Planunterlagen wurde der Fahrweg vom Beginn / Ende des Weichenbereichs auf der Strecke 1120 bis zum Haltepunkt mit 750 m (Ausfahrt in Richtung Bargteheide) bzw. 950 m (Einfahrt aus Richtung Bargteheide) geschätzt. Die Beschleunigungs- und Verzögerungsleistungen im Regelbetrieb der S-Bahn sind für uns nicht genau zu bestimmen.

Die maximale Beschleunigung der Triebfahrzeuge der DB-Baureihe 490 ist mit angegeben. Daraus ergäbe sich eine Beschleunigungsstrecke von 385 m aus dem Stand auf eine Geschwindigkeit von 100 km/h. In der Realität erfolgt die Beschleunigung weder über den gesamten Geschwindigkeitsbereich mit diesem maximalen Beschleunigungswert noch werden die maximalen Leistungswerte der Triebfahrzeuge im Regelbetrieb ausgenutzt.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob eine Entwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h mit betrieblichen Einschränkungen einhergeht, denn „Geschwindigkeitsreduzierungen […] reduzieren die Kapazität der Strecke. Dies erklärt sich aus der Tatsache, dass der Schienenverkehr, anders als der Straßenverkehr, in einem fest vorgegebenen Blockabstand mit exakt geplanten Geschwindigkeiten geführt wird. Geschwindigkeitsbeschränkungen wirken sich folglich auf alle folgenden Züge aus“ (Erläuterungsbericht, Seite 131). Es sollte daher insbesondere für den Bereich der höhengleichen Kreuzungen nachgewiesen sein, dass die Entwurfsgeschwindigkeit von 100 km/h in den abzweigenden Weichenverbindungen eine Reduzierung der betrieblichen Qualität zur Folge hat.

Mögliche Lösungen zur Engpassbeseitigung

In der Vorplanung wurde neben der ursprünglichen Vorzugsvariante mit eingleisiger S-Bahn-Strecke bis Bargteheide noch eine Variante mit einer höhenfreien Einfädelung in Ahrensburg-Gartenholz mithilfe eines Überwerfungsbauwerks berücksichtigt. Diese Variante ist in der Vorplanung preislich zwischen den Varianten „S-Bahn Gleis bis Bargteheide“ und „höhengleiche Einfädelung in Ahrensburg-Gartenholz“ angeordnet. Sie stellt also gegenüber den ursprünglichen Planungen eine Kostenreduktion dar, gleichzeitig kann sie die im Rahmen dieser Einwendung beschriebenen betrieblichen Einschränkungen aufgrund der höhengleichen Kreuzung vermeiden. Sollten die vorgelegten Pläne unverändert in den Planfeststellungsbeschluss eingehen, kann ein technisch und wirtschaftlich vertretbares Betriebsprogramm mit dieser Infrastruktur nur durch eine Rückziehung der S 4 nach Ahrensburg-Gartenholz erreicht werden, wobei wegfallende Halte und Kapazitäten zwischen Ahrensburg-Gartenholz und Bad Oldesloe durch zusätzliche RE-Halte sowie eine Ausweitung des RE 8X (8- statt 4-Teiler, ganztägiger Stundentakt) zu kompensieren wären.

Abschließende Bewertung des VCD Nord

In Anbetracht der obigen Ausführungen hat der VCD Nord große Bedenken, dass ein stabiler Betrieb der S-Bahn, des Regional-, Fern- und Güterverkehrs mit den jeweiligen geplanten Betriebsprogrammen möglich ist. Es steht zu befürchten, dass durch die höhengleiche Einfädelung der S-Bahn in Ahrensburg-Gartenholz eine Engstelle geschaffen wird, die sowohl negative Auswirkungen auf den S-Bahn-Betrieb in Hamburg als auch auf den Regional-, Fern- und Güterverkehr hat. Wir fordern daher eine Planung, die diese Engstelle vermeidet. Dies scheint entweder durch den Bau eines Überwerfungsbauwerks in Ahrensburg-Gartenholz oder durch eine separat geführte S-Bahn-Strecke bis Bargteheide nordwestlich der Strecke 1120 möglich, notfalls auch betrieblich durch eine grundsätzliche Abänderung der Paradigmen der geplanten S-Bahn-Linie und des Betriebsprogramms. Sollte eine Umsetzung im Rahmen des Baus der S 4 (Ost) nicht möglich sein, sollte eine spätere Ergänzung zumindest planerisch berücksichtigt werden, etwa um aufwendige Gleisverlegungen und Anpassungen an der Oberleitungsanlage zu vermeiden.

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