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Ortsgruppe Flensburg
Am 7. September 2021 wurde im Flensburger Planungsausschuss (SUPA) die Stellungnahme der Stadt Flensburg zum Entwurf des neuen Landes-Nahverkehrsplans vorgestellt. Abteilungsleiter Frank Axen sowie ein Bündnis aus CDU, SPD, LINKE und FW! lehnten die Konzepte des Landes brüsk ab. Wir haben bei den Fachleuten des Fahrgastverbands PRO BAHN nachgefragt, wie stichhaltig die dabei geäußerten Argumente sind. Der Vorsitzende Stefan Barkleit fordert, die gemeinsame Aufgabe der klimagerechten Verkehrsplanung auch gemeinsam anzugehen.
Stefan Barkleit ist Vorsitzender des PRO BAHN-Landesverbandes in Schleswig-Holstein/Hamburg. Themen zu Bahn und Bus sind seine Expertise.
Barkleit: Der Landesnahverkehrsplan (LNVP, Entwurfsfassung vom 18.06.2021, PDF-Datei – mehr) gilt immer für 5 Jahre und bildet die Grundlage für die weitere Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) und die landesweite Koordinierung des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Der LNVP ist ein Gemeinschaftswerk zahlreicher Institutionen: Das Land Schleswig-Holstein und die NAH.SH erstellen den Entwurf. Die kommunalen Landesverbände, die Verkehrsunternehmen, die entsprechenden Gewerkschaften, Industrie- und Handelskammern, Fahrgast- und Umweltverbände, der Fremdenverkehrsverband, die unterschiedlichen Interessenvertretungen von Schüler:innen, Berufstätigen bis zu Menschen mit Behinderungen – all diese bringen sich mit ihren Stellungnahmen in die Erstellung ein.
Es ist sehr zu begrüßen, dass diese Institutionen mitwirken. Denn durch die Auswertung und Diskussion der Stellungnahmen nimmt die Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) einen weiteren deutlichen Schritt nach vorn.
Barkleit: In Schleswig-Holstein gibt es einen landesweiten Taktfahrplan, der inzwischen in weiten Landesteilen zu einem Integralen Taktfahrplan, dem Schleswig-Holstein-Takt, weiterentwickelt worden ist. Kern des Taktfahrplans sind die sogenannten Knoten, Orte, an denen sich die Züge zu den Knotenzeiten, beispielsweise zu den Minuten 00 und 30, treffen.
Auf eingleisigen Streckenabschnitten erreichen die Züge den Knoten nacheinander und verlassen ihn auch nacheinander. In Schleswig-Holstein wird dies beispielsweise auf den Streckenabschnitten Kiel-Hassee-Kiel Hbf, Kiel Hbf-Kiel Abzweig Ss und Neumünster Süd praktiziert.
Solche Streckenabschnitte sollten eine möglichst leistungsfähige Infrastruktur mit nahegelegenen Ausweichsstationen bieten. Dann können sich die Züge dort begegnen und Verzögerungen im Betriebsablauf lassen sich kompensieren. In den oben genannten Kieler Streckenabschnitten ist dies nur teilweise der Fall.
Die Reaktivierung der Bahnstrecke Flensburg-Wilhelminental-Flensburg-ZOB bietet jedoch die Möglichkeit, die Infrastruktur so auszubauen, dass die nötigen Rahmenbedingungen erfüllt sind. Der eingleisige Streckenabschnitt lässt sich in wenigen Minuten zurücklegen. Mit den Ausweichmöglichkeiten zu Beginn und Ende lassen sich Begegnungssituationen sicher und zeitsparend gestalten. Signaltechnische Ausrüstung unterstützt dies zusätzlich.
Barkleit: Das trifft nicht zu. Nach der VDV-Schrift 613 "Anlage und Pflege von Vegetationsflächen entlang der Schienenwege nichtbundeseigener Eisenbahnen", Ausgabe 01/2020, sind Oberleitungsmasten freizuhalten und neben dem Gleisbereich sind ein schmaler Übergangsstreifen und eine rund 2,50 Meter breite Bewuchsgrenze für Gehölze vorzuhalten.
Durch den Erhalt von Baumbestand bzw. Bepflanzung und Rasengleis lässt sich der Damm ansprechend gestalten, so dass das “grüne Band” durch die Flensburger Innenstadt erhalten bleibt.
Barkleit: 2016 haben das Land, NAH.SH und die Stadt Flensburg gemeinsam mit dänischen Partnern bei dem renommierten Beratungsunternehmen SMA und Partner ein Gutachten zur Infrastruktur in der Stadt Flensburg erstellen lassen.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis: Mit einer Kombination aus einer Bahnstation Flensburg-Weiche, einer Bahnstation Flensburg-ZOB und einer Bahnstation am bisherigen Standort lässt sich die Zahl der Fahrgäste deutlich steigern.
Bis in die Innenstadt könnten folgende Züge fahren:
Im Flensburger Süden ist die Errichtung von zwei neuen Bahnstationen vorstellbar. Die neuen Bahnstationen und die reaktivierten Bahnstrecken können von Beginn an so geplant und gebaut werden, dass damit die Grundlage für die Einführung einer Stadt-Regionalbahn in Flensburg geschaffen ist.
Barkleit: Es gut und richtig, dass sich die Stadt Flensburg für die Aufwertung des bisherigen Bahnhofes einsetzt. Eine Abhängigkeit zur Umsetzung weiterer Bahnstationen in der Stadt Flensburg besteht jedoch nicht.
Neue Verkehrsplanung will Menschen da abholen, wo sie sind, und möglichst direkt zu ihren Zielen bringen. Schauen wir in andere Städte:
Die Fahrgastnachfrage im Schienenverkehr in Flensburg, der drittgrößten Stadt in Schleswig-Holstein, ist nach wie vor unterdurchschnittlich – auch wenn es dank Verbesserungen in den vergangenen Jahren eine deutliche Steigerung gab.
Der Ausbau des Angebotes, die Aufwertung des bisherigen Bahnhofes und des Bahnhofsumfeldes werden sicherlich zu einer weiteren Zunahme der Fahrgastzahlen führen.
Erheblich größer wird die Zunahme jedoch sein, wenn die Züge in die Innenstadt von Flensburg fahren. Dafür gibt es zwei Gründe: Die attraktivere Fahrzeit und dass auf vielen Verbindungen das Umsteigen entfällt. So haben wir eine weit größere Chance, unsere Klimaziele zu erreichen.
Barkleit: Auch in anderen Bundesländern werden an Knoten neue Bahnhofsgebäude errichtet. Ob eine Bahnstation Flensburg-ZOB nicht nur funktional, sondern auch ein attraktives Tor zur Innenstadt sein kann, liegt in der Verantwortung der Stadt Flensburg. Vom Land und von NAH.SH stehen dafür Fördermittel bereit.
Aus unserer Sicht als Fahrgastverband ist uns wichtig, dass die Bahnstation und der ZOB von den Fahrgästen als gemeinsame Verknüpfungsanlage mit kurzen Umsteigewegen zwischen den Verkehrsträgern Bahn und Bus wahrgenommen wird.
Barkleit: Unserer Kenntnis nach sind seit den letzten Untersuchungen einige Jahre vergangen. Tendenziell dürften die Ergebnisse jedoch weiterhin zutreffend sein. Denn die Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll-Flensburg mit einer Führung bis in die Innenstadt von Flensburg hat klare Vorteile:
Wir schlagen vor, dass sich die Stadt Flensburg mit dem Land und NAH.SH austauscht, um offene Fragen zu klären und ein gemeinsames Angebotskonzept zu entwickeln. Auf dieser Grundlage lassen sich dann aktuelle Aussagen und fundierte Entscheidungen treffen.
Barkleit: Natürlich ist es immer von Vorteil, an der Fahrtroute eines attraktiven Verkehrsmittels zu wohnen. Die Reaktivierung der Bahn bringt jedoch auch denen Vorteile, für die es bisher kein Angebot gibt, zum Bus zu kommen: Ein maßgeschneidertes Bahn-Bus-Konzept mit Buszubringern führt zu attraktiven Fahrzeiten und einem dichteren Takt mit einem Bedienungszeitraum von früh morgens bis spät in die Nacht.
Besonders attraktiv dürfte die Anbindung der Innenstadt sein, weil dort wichtige Fahrtziele für Pendelnde angesiedelt sind (vgl. Grafik oben).
Barkleit: Die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) hat das Land Schleswig-Holstein und NAH.SH. Die Nutzung von Trassen, die für Bahnbetriebszwecke gewidmet sind, liegt nicht in der Planungshoheit einer Stadt.
Das Land Schleswig-Holstein und NAH.SH verfolgen das Ziel einer direkten Anbindung der Innenstadt von Flensburg. Die Stadt Flensburg verfolgt das Ziel eines Fahrradweges. Unserer Kenntnis nach schließen sich beide Ziele nicht aus.
Land, NAH.SH und Stadt Flensburg sollten gemeinsam nach einer attraktiven und zukunftsfähigen Lösung suchen.
Dabei gilt es auch eine Lösung für die Mitnutzung des Firmengeländes von Mitshubishi Hitec Paper Europe zu finden, wo sowohl für die Bahnstrecke als auch eventuelle Fahrradwege entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen sind.
Als Plattform für den Austausch und als Basis für attraktive und zukunftsfähige Lösungen haben der VCD und der Fahrgastverband PRO BAHN Dialogforen initiiert, um den Vertretern der unterschiedlichen Interessengruppen eine Brücke zu bauen.
Nun ist es an der Zeit, diese Brücke auch zu betreten. Denn unabhängig von unseren eigenen Interessen brauchen wir gemeinsam eine andere Mobilität mit einer stärkeren Rolle für die Verkehrsträger des Umweltverbundes.
Diese Aufgabe können wir nur gemeinsam angehen und meistern. Daher ist es an uns allen, attraktive und zukunftsfähige Lösungen für die Stadt und die Region Flensburg zu entwickeln und umzusetzen. Wir als Verkehrsverbände leisten dabei Unterstützung.
Stefan Barkleit, PRO BAHN Landesverband Schleswig-Holstein/Hamburg e.V.
Drei Konzepte werden derzeit in Flensburg diskutiert:
Welches Konzept ist am besten geeignet, den öffentlichen Verkehr in der Region möglichst zeitnah klimafreundlich und attraktiv zu gestalten?
Für eine Online-Podiumsdiskussion am Donnerstag, 4. November, 17:00-19:00 Uhr, haben wir Vertreter dieser drei Positionen eingeladen und wollen mit Fachleuten ihre Konzepte diskutieren. Dazu laden wir herzlich ein: mehr