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Bahnreaktivierung Niebüll-Flensburg: Dialogforum für den Kreis Schleswig-Flensburg - Bericht

Die Reaktivierung von Bahntrassen gilt als wichtiger Baustein für einen klimafreundlichen Verkehr. Was spricht im Kreis Schleswig-Flensburg dafür, welche Vorbehalte gibt es zur Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll-Flensburg? Darüber wurde bei einer Online-Veranstaltung an der Europäischen Akademie am Donnerstag, 6. Mai 2021, durchaus kontrovers diskutiert.

 

2021: Europäisches Jahr der Schiene

Rund 50 Interessierte trafen sich beim Online-Dialogforum “Niebüll-Flensburg mit der Bahn” am Donnerstag, 6. Mai 2021, zu Information und Austausch.

2021 hatte die EU zum "Europäischen Jahr der Schiene" erklärt, um den Umstieg auf die Bahn als sicheres und nachhaltiges Verkehrsmittel zu fördern. Darauf wies Dr. Christian Pletzing, Direktor der Europäischen Akademie Schleswig-Holstein und Europe Direct Südschleswig, bei der Begrüßung hin.

In der anschließenden Online-Veranstaltung wurden drei Aspekte der Streckenreaktivierung Niebüll-Flensburg beleuchtet: Die landesweite Verkehrsplanung, Erfahrungen mit der Reaktivierung von Bahnstrecken andernorts und die technische Umsetzung. Besonders viele Nachfragen betrafen verständlicherweise diesen dritten Teil.

Moderne Eisenbahntechnik: Leise Bremsen und Gleise

Bauingenieur Thorsten Schaefer, Leiter Eisenbahninfrastrukturunternehmens (EIU) der Norddeutschen Eisenbahngesellschaft neg, erläuterte die technischen Möglichkeiten. Die Strecke würde vorrangig dem Personennahverkehr dienen, stellte er fest, und beschrieb drei wichtige Faktoren für leisen Bahnverkehr: Sogenannte “Flüsterbremsen”, lückenlos verschweißte Schienen und E-Loks.

Thema Lärm ...

Damit sind E-Triebwagen leiser als ein Bus. An der B199 Richtung Flensburg wurden im letzten Abschnitt täglich ca. 13.000 Pkw gezählt (Verkehrserhebung des LBV-SH in 2015). Weniger Lärm und bessere Luft an der Strecke wären ein erheblicher Gewinn für die Anwohnenden. In Bahnhofsnähe sind Immobilien auch mehr wert – laut Untersuchungen 5-6 Prozent.

… und Bahnübergänge

Bahnübergänge, so schilderte er, würden mit Hilfe von Signalgebern gestaltet: Ein Zug überfährt beim Herankommen einen Signalgeber, ebenso beim Verlassen des Übergangs. Damit dauert die Schließzeit insgesamt nur ca. 45-60 Sekunden. Das ist vergleichbar mit der Rotphase der Fußgängerampeln an der B199, nur dass damit erheblich mehr Personen das Queren ermöglicht wird.

Ehrlicherweise müsse man sagen, dass theoretisch auch einzelne Güterzüge möglich seien. Hier sind inzwischen bedeutende technische Verbesserungen geschaffen worden. Die Sorge der Anwohnenden in Bezug auf Lärm nehme man ernst. Betroffene haben selbstverständlich ein Recht auf Lärmschutz, auch dafür gibt es inzwischen gute Lösungen.

  • Thorsten Schaefer (neg): Schieneninfrastruktur und Technik. PDF-Datei – mehr

 

Schienennetz und Bahnreaktivierungen in Schleswig-Holstein

Jochen Schulz, Bereichsleiter Planung bei NAH.SH, stellte anschließend Bahn-Reaktivierungsprojekte in Schleswig-Holstein und ihre Bedeutung für das Streckennetz vor. Solche Reaktivierungen geben jeweils Impulse für die Ortsentwicklung, entlasten die Straßen und erleichtern es Älteren und Heranwachsenden, selbständig und sicher unterwegs zu sein.

Oft ist dabei Überzeugungsarbeit vor Ort nötig, so Schulz. Manchen Menschen fällt es im buchstäblichen Sinn schwer, gewohnte Wege zu verlassen. Und gute Planung: Wenn am Haltepunkt der Umstieg in einen Bus nötig ist, betonte Schulz, muss der Busverkehr gut verzahnt sein mit dem Schienenfahrplan.

  • Jochen Schulz (NAH.SH): Reaktivierung von Bahnstrecken. Planerische Grundlagen und rechtliche Rahmenbedingungen. PDF-Datei – mehr

 

Verkehrsplanung: Chancen für den Grenzraum

Nach welchen Grundsätzen werden Buslinien konzipiert? Wie kommen unsere Fahrpläne zustande? VCD Nord-Vorstandsmitglied Helene Wahl stellte dar, wie auf Grundlage von politischen Entscheidungen und Entwicklungszielen der Verkehr von der Landesebene bis hinunter in die Region geplant wird.

Ganz aktuell der Hinweis auf das Konzept für den zukünftigen Schienenverkehr in Schleswig Holstein (OdeS), das den Ausbau des Schienenverkehrs, mehr Fahrgäste für die Bahn und die Stärkung der Ost-West-Achse vorsieht.

  • Helene Wahl: ÖPNV-Nutzung, Bedarf und Perspektiven in der Region auf Grundlage der Nahverkehrsplanung. PDF-Datei – mehr

 

Engagierte Diskussion und klare Voten

Die große Mehrheit der rund fünfzig Teilnehmenden nahm die Informationen sehr positiv zur Kenntnis. Eine kleine Handvoll Zuhörer:innen zeigten sich sehr besorgt: Ob Klimaschutz wirklich nötig sei? Ob mit einer Bahnreaktivierung nicht Steuergelder verschwendet würden? Ob nicht ein Chaos auf der B199 entstehen würde, wenn für zwei bis vier Züge pro Stunde jeweils der Autoverkehr stoppen müsste?

Forderungen aus Handewitt ...

Bürgermeister Thomas Rasmussen aus Handewitt wies darauf hin, dass gute Lösungen und gute Antworten gefragt seien für die Problemstellungen vor Ort. Das betreffe insbesondere die stark befahrene B199. Einige Anwohnende hätten zudem relativ nah an der Bahnstrecke gebaut und fürchteten jetzt Nachteile für sich.

… und Schafflund

Die Schafflunder Bürgermeisterin Constanze Best-Jensen hatte ihre vier Forderungen schriftlich weitergegeben:
Die Gemeinden an der Strecke müssten das Vorhaben gemeinsam unterstützen. Auch die Anwohnenden jenseits der Bahnstrecke müssten gut an den ÖPNV angeschlossen sein. Die Strecke dürfe nur der Personenbeförderung dienen und nicht dem Güterverkehr.
Und schließlich die Forderung, mit der Bahn ins Flensburger Zentrum fahren zu können. Ein Halt außerhalb und die Notwendigkeit, noch einmal in den Bus umzusteigen, um in die Stadt zu kommen, sei nicht attraktiv.

Sich so abzustimmen und gemeinsame Lösungen zu finden, ist wichtig für den Erfolg solcher Vorhaben.

Positive Rückmeldungen zum Abschluss

Nicht alle Fragen konnten ausdiskutiert werden. Deutlich wurde auch, dass weiterhin erheblicher Informations- und Diskussionsbedarf besteht. Wo es um persönliche Betroffenheiten geht, kann es kein Ergebnis geben, das jeden Einzelnen zufrieden stellt. Dennoch wollen wir weiterhin sachliche Kritikpunkte anhören und diesen konstruktiv begegnen – damit die bestmögliche Lösung gefunden wird.

Am Ende der Veranstaltung überwogen die positiven Rückmeldungen: “Gute Argumente und aktuelle Daten!” – “Gut gemacht, Sankelmark!” - “Viel Erfolg und hoffentlich geht es damit voran!”

Vorschau: Online-Dialogforum Flensburg, 26. August 2021

Das Thema Bahnreaktivierung ist aktuell und wird uns weiter begleiten. Gerade in Flensburg besteht dazu Diskussions- und Informationsbedarf. VCD Flensburg und PRO BAHN bereiten mit Unterstützung des Klimamanagement der Universität Flensburg daher ein Online-Dialogforum zur Bahnreaktivierung vor für die Stadt Flensburg am Donnerstag, 26. August 2021. Interessierte sind herzlich eingeladen.

Weiterlesen

  • VCD Flensburg: Reaktivierung Bahnstrecke Niebüll-Flensburg: Fragen und Antworten. Teil I: Die Strecke insgesamt. 06.12.2020 – mehr
    Rechnet sich die Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll-Flensburg? Welche Auswirkungen hätte das für Umwelt und Klima?
    Mit Fortsetzung:
    Teil II: Neuer Bahnhalt Flensburg Stadt am ZOBmehr
    Teil III: Mit der S-Bahn ins Umland und nach Dänemarkmehr

  • MA und Partner AG, Gertz Gutsche Rümenapp GbR: Gutachten zur zukünftigen Bahnstruktur Flensburg. 11.12.2015. PDF-Datei – mehr
    Das Gutachten des renommierten Unternehmens untersuchte 2015 im Auftrag der Stadt Flensburg, des Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (NAH.SH), der Region Syddanmark und von Aabenraa Kommune die Möglichkeiten einer Bahnreaktivierung und die Trassenführung für Flensburg.

  • Flensburg-mobil.net: Reaktivierung Bahnstrecke Niebüll-Flensburg - Rückblick und Dokumentation. (Mit Aktualisierungen) – mehr
    Seit Jahren beschäftigt eine mögliche Reaktivierung der Bahnstrecke Niebüll-Flensburg Politik und Verwaltung in der Region. Jetzt fordert die Klimakrise nachhaltigen Verkehr ein. Die Seite bietet einen Rückblick über bisherige Studien und Stellungnahmen.

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