Bei zahlreichen Diskussionen über Verkehrsprobleme und ihre möglichen Lösungen konnte man seit Jahrzehnten beobachten, dass der Begriff „Verkehr“ in der Alltagssprache fast deckungsgleich mit „Autoverkehr“ genutzt wurde. Das schleppte in der Regel einen erheblichen Nachteil mit sich: ein aufmerksamer Blick auf andere Verkehrsträger und ihre Potenziale wurde damit in der Tendenz verstellt. Dabei ist es doch so: in einer arbeitsteiligen Gesellschaft braucht es Verkehr, der Versorgungsüberschuss einer Stadt für das Umland und z.B. dessen Naherholungsmöglichkeiten braucht Verkehr. Aber: der kann i.d.R. bis auf geringe Anteile auch umweltfreundlich organisiert werden. Man schätzt, dass ca. 70% des heutigen Autoverkehrs ohne große Schwierigkeiten umweltfreundlich abgewickelt werden könnten - wenn die Infrastruktur dafür stimmt.
Konflikte um Flächen für Verkehrsmittel entbrennen in größeren Siedlungen häufig um Parkplätze für Autos. Wenn ein paar von den ca. 250 Mio. Parkplätzen in Deutschland - das sind pro derzeit vorhandenem Auto immerhin 5 Parkplätze - umgenutzt werden sollen, dann verlautbaren manche Bürger schnell , die „armen“ Autofahrer gerieten nun in Bedrängnis. Eine Lösung bestünde aber darin, dass einfach viel mehr und häufiger ein Verkehrsmittel genutzt wird, das viel weniger Platz benötigt.
Zu Fuß benötigt man gar keine Fläche, ein Fahrrad benötigt nur 1/10 der Fläche eines Autoparkplatzes, auch viele Feinmobile benötigen weniger. Wer mit dem Bus oder der Schiene anreist, braucht auch keine Parkfläche, denn deren Fahrzeuge fahren weiter, während ein Durchschnittsauto in Deutschland ca. 23,5 von 24 Stunden des Tages nur steht und auf der beanspruchten Fläche keine andere Nutzung mehr zulässt. In Hamburg blockieren die geparkten Autos derzeit ca. acht Außenalsterflächen. Diese Fläche ist für soziale und andere Nutzungen, z.B. Grün, Straßentheater, Straßenmarkt, Straßenfest, im öffentlichen Raums verloren.
Wer also umweltfreundliche Mobilität fördern möchte, der unterscheidet in allen Diskussionen grundsätzlich die verschiedenen Verkehrsträger
Fuß, Fahrrad&Pedelec, andere Feinmobile, Bus, Bahn, Motorrad, Auto, Lkw, Flugzeug, Seilbahn.
Man kann verschiedene Verkehrsträger auch zusammenfassen: Umweltverbund oder MIV? Im Umweltverbund sind die Zubringer für Kurzstrecken enthalten - Fuß bis anderen Feinmobile - sowie für lange Strecken auch Bus und Bahn. Der Motorisierte Individualverkehr (MIV) ist in der Realität eher ein Massenverkehr, wenn man an Autobahnen sowie Ein- und Aufallstraßen einer Großstadt denkt. Aber dieser Begriff ist leider immer noch üblich. Auch, weil es an naheliegenden anderen Begriffen fehlt.
Außerdem beachtet man als Umwelt - und damit Menschenfreund -, dass ohne Komfortverlust eingesparter Verkehr noch günstigere Mobilität ermöglicht: der Bäcker nebenan erspart den Weg zu einem weiter entfernten Supermarkt.
Von großer Bedeutung ist eine langfristige effiziente Raumplanung in einem Verflechtungsraum wie der Metropolregion Hamburg: Werden radiale und tangentiale Grünzonen freigehalten und das Siedlungswachstum dort begünstigt, wo es möglichst viele Daseinsgrundfunktionen in kurzer Nähe erreichbar sind? Ein Ideal stellt die 15-Minuten-Stadt dar, alle wichtigen Ziele sind in 15 Minuten zu Fuß erreichbar. Gegen dieses Ziel stellen sich letztlich alle Gemeinden, die gewinnträchtig Agrar- zu Bauland verwandeln wollen, jedoch über geringe Versorgungs-Infrastruktur verfügen.
Fazit:
Niemals mehr Verkehr als Begriff undifferenziert verwenden, es sei denn als Satire für das Autosyndrom unserer Gesellschaft. Und Vorsicht vor allen Gutachten, die nur den Autoverkehr innerhalb einer Siedlung oder zwischen verschiedenen Orten betrachten, sie blenden umweltfreundliche Verkehre i.d.R. aus. Deren Anteil an der Anzahl der Wege sowie den zurückgelegten Entfernungen kann überraschend hoch sein - und vor allem bei entsprechender Unterstützung werden.
Die Massenmotorisierung mit Autos zeigt sich auch darin, dass heute ganz Deutschland vom Baby bis zum Greis auf den Vordersitzen der ca. 49 Mio. Autos Platz findet. Sie wurde seit 70 Jahren ganz stark mit dem bis heute verfangenden Argument gefördert, dass “verstopfte” Straßen eine Entlastung benötigen. Dabei wurde der Effekt neu induzierter Autoverkehre i.d.R. ignoriert oder bagatellisiert.