Ortsgruppe Neumünster,
Neumünster,
Fahrrad,
Fußverkehr,
Mobilität in der Stadt,
Pressemitteilung,
Stadt- & Regionalplanung,
Straßenverkehr,
Verkehrssicherheit
Am 14. Januar fand zur Planung der neuen Radwege ein moderiertes Beteiligungsforum in der Sporthalle der Grundschule Wittorf statt. Es waren ca. 100 Personen anwesend, darunter die Verkehrsplanung der Stadt, die Planungsfirma WVK ,Politik und auch viele AnwohnerInnen, sowie SchülerInnen der Holstenschule. Es wurde die Radwegplanung von der Innenstadt nach Wittorf vorgestellt. Das Projekt betrifft die Wittorfer Straße, Lindenstraße, Mühlenstraße sowie in Wittorf die Wiesenstraße und die Padenstedter Landstraße. Der geplante Kreisverkehr wird, aufgrund mangelnder Finanzierung vorerst nicht gebaut. Die Stadt möchte aber später möglichst darauf zurück kommen. Die neu entstehende Infrastruktur hat als Schulwege zur Grundschule und zur Holstenschule eine wichtige Funktion zu erfüllen, ebenso als Weg zur Arbeit ins Industriegebiet und zum Einkaufszentrum am Grünen Weg.
Stadtklima-Transformation unklar?
In den Kieler Nachrichten wurde die Planung als moderne Radroute auf 4 Kilometern Länge angekündigt. Die professionelle Moderation führte souverän durch den Abend, zunächst im großen Plenum, dann in kleineren Gruppen. Ideen zu den Bauabschnitten sollten auf Plakate geschrieben werden und daraus die zwei wichtigsten Punkte für die große Präsentation am Ende ausgewählt werden. Die Stimmung in der Halle war konstruktiv und gut.
Welche Transformation Neumünster beim Verkehr insgesamt in den nächsten Jahren zu leisten hat, um die notwendigen Klimaziele zu erreichen blieb unerwähnt. Welchen Anteil am gesamten Verkehr in der Stadt das Fahrrad erreichen soll bleibt ebenfalls für die TeilnehmerInnen unklar. Fraglich ist auch, ob die Anwesenden an diesem Abend unsere vorhandene Infrastruktur oder die vorgestellte neue Radroute mit einer moderner Radwegeplanung überhaupt vergleichen konnten.
Wer von ihnen ist bereits schon einmal auf einem beheizten oder am Boden beleuchteten Radweg gefahren?
Wer von ihnen kennt Radwege, die breit genug gebaut worden sind?
Hinweise der Moderation auf Schutzmaßnahmen für die neuen Wege bei Starkregen oder Hitzeinseln im Sommer gab es an diesem Abend nicht. Eventuell habe ich diese wichtigen Hinweise auch alle überhört.
Unbekannte Sicherheitsmängel auf neuen Schulwegen?
Sehr wohl erwähnt wurden Dooringzonen. Sie entstehenden durch die am Straßenrand abgestellten Autos ohne Sicherheitsabstand zum Radweg. An den Reaktionen des Publikums wurde allerdings klar, dass viele Anwesende mit diesem Begriff nichts anzufangen wussten oder gerade zum ersten Mal von diesen Gefahrenzonen hörten.
Viele „Autotürzonen“ tragen in Neumünster durch unachtsam geöffnete Autotüren auf Radwegen zu mangelnder Sicherheit bei. Sie können schwere Verkehrsunfälle verursachen. An dem Abend wurde uns allerdings zugesichert, dass bei der neuen Planung ein Sicherheitsabstand eingehalten wird. Die Stadtverwaltung sieht am Straßenrand abgestellte PKW aber aktuell noch als Mittel zur Verkehrsberuhigung an. Es ist fraglich, ob in einem Beteiligungsverfahren grundsätzliche Fragen der Sicherheit überhaupt so behandelt werden können. Die wenigsten der Anwesenden werden sich mit Konzepten zur geschützten Fahrradinfrastruktur auf Schulwegen oder Fehler verzeihender Verkehrsplanung aus kennen.
Wer kennt schon dem holländischen Griff in Neumünster?
Dooringzonen sind in Neumünster fast allgegenwärtig, sowohl auf den linken als auch auf den rechten Seiten von Autos, die am Straßenrand abgestellt werden. Erfahrungsgemäß führt das zu mangelndem Überholabstand, wenn Rad- und Autoverkehr gleichzeitig das abgestellte Fahrzeug links umfahren und dabei zum Schneiden des Radverkehrs. Eine gute Maßnahme gegen diese Parkproblematik sind Quartiersgaragen., die mehr Platz für aktive VerkehrsteilnehmerInnen schaffen.
Die geplante Gestaltung ohne durchgefärbte Radwege erhöht die Tendenz von Autonutzern, Radwege und FahrradfahrerInnen darauf zu übersehen. Wenn nun (aus Kostengründen) auf farbige Fahrradwege verzichtet werden muss, sind gut sichtbar Fahrradpiktogramme, sogenannte Sharrows eine praktikable Lösung. Beengte Fuß-Radwege auf der Padenstädter Landstraße und die geplanten Schutz- und Radstreifen versprechen allerdings nicht viel mehr Platz für die Fahrradhauptroute. Der Querschnitt von außen nach innen würde zwischen Mühlenstraße und Wittorfer Straße folgendermaßen aussehen: ein Fußweg, ein Parkstreifen, Sicherheitsabstand der Dooringzone, Schutz- oder Fahrradstreifen (Mindestbreite hier jeweils 1,85 Meter) und in der Mitte die Fahrbahn. Wenn der Platz dafür nicht ausreicht, wäre der Radverkehr ungeschützt (möglichst mit Sharrows) in Mischverkehr geplant. Ob die Ordnungsaufsicht Park- und Halteverstöße auf den Schutz- und Fahrradstreifen konsequent ahndet oder nicht, würde dann direkt über den Erfolg und die Sicherheit der Fahrradhauptroute entscheiden.
Der Plan mit dem Kreisverkehr, der später noch gebaut werden soll, sobald es eine Förderung dafür gibt, trägt ebenfalls eher zu unsicheren Wegen für den Fahrradverkehr bei. Denn ein Kreisverkehr soll den motorisierten Verkehr im Fluss halten. RadfahrerInnen und besonders SchülerInnen trauen sich selten mitten auf der Fahrbahn im Kreisverkehr zu fahren, so dass Autos nicht überholen können. Überholen Autos auf der engen Fahrbahn im Kreisverkehr doch, werden Fahrradfahrende häufig an den Rand gedrängt, da der Mindestabstand von 1,5 Meter nicht eingehalten werden kann. Es gilt die Regel: je größer der Kreisverkehr, desto höher die Fahrgeschwindigkeit und desto größer ist auch die Unfallgefahr für den Radverkehr. Lübeck beispielsweise mit seinen XL-Kreisverkehren führt bundesweit die traurige Unfallstatik an. Sicherer für den Rad- und Fußverkehr sind Ampelkreuzungen. Das wäre auch eine sichere Lösung für den Fußgängerüberweg an der Padenstädter Landstraße zum Pingelstieg, besser als nur Gehwegnasen und Mittelinsel zu planen.
Fahrradstreifen schützen nur, wenn sie mit geeigneten Gegenständen „abgepollert“ werden, zum Beispiel mit Barken. Für eine viel befahrene Hauptfahrradroute reicht es einfach nicht aus, die Schutzstreifen etwas breiter zu machen, besonders wenn viele Kinder unterwegs sind. Problematisch sind Schutz- und Fahrradstreifen auch, weil AutofahrerInnen an ihnen wie an einer rechten Fahrbahnbegrenzung entlang fahren und so häufig Überholabstände zum Radverkehr missachten. Wo es enger wird, lässt sich ein ungeschützter Schutzstreifen vom Autoverkehr leicht überfahren und beschränkt den Platz, den der Radweg haben sollte und damit das Sicherheitsgefühl beim Radfahren. Auch beim Abbiegen ist ein ungeschützter Schutzstreifen eher ein unsicherer Fahrradweg. Für den Hauptabschnitt zwischen Mühlenstraße, Lindenstraße und Wittorfer Straße ist eine durchgängige Fahrradstraße deshalb die sicherere Lösung. Die Altonaer Straße läuft fast parallel dazu und kann weiter hauptsächlich dem Autoverkehr gewidmet sein.
Fazit
Das Beteiligungsform zur Radroute Wittorf stieß auf großes Interesse. Es ist allerdings unklar, ob die Anwesenden in diesem Rahmen informierte Vorschläge machen konnten. Die vorgestellte Planung machte auf mich nicht den Eindruck einer wirklich modernen Verkehrsplanung. Statt gar keinen oder wenig Platz zum Rad fahren, wird jetzt etwas mehr Platz eingeplant. Das darf aber keinesfalls auf Kosten der Leichtigkeit des Autoverkehrs gehen und auf das Parken am Straßenrand kann anscheinend keinesfalls verzichtet werden. Klimaschutz und städtebauliche Entwicklung sind noch zu wenig mit gedacht. Dafür fehlt es in der Stadt an Mut, Wissen und Engagement, mehr Platz und eine sichere Infrastruktur für den Radverkehr ein zu fordern und für Kinder auf Schulwegen um zu setzen. Das Fahrrad verspricht für uns alle eine lebenswerte Stadt mit einer verträglicheren Infrastruktur, allerdings haben die Verantwortlichen den Startschuss dafür noch nicht gehört.
Katja Schulz für den VCD, Ortsgruppe Neumünster
Infolinks:
https://archive.ph/vfj3e#selection-1561.272-1561.379
https://www.br.de/radio/bayern1/hollaendischer-griff-100.html
https://www.neumuenster.de/verkehr-umwelt/mobilitaet-verkehr/radverkehr/radverkehrsfoerderung
https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Luebecks-Lindenteller-ist-die-gefaehrlichste-Kreuzung-Deutschlands,verkehr1330.html
https://www.zeit.de/mobilitaet/2024-12/kreisverkehre-strasse-verkehr-radfahrer-kreuzungen-unfaelle-sicherheit/komplettansicht