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Kein Schotter für die Schienen in Schleswig-Holstein

Das muss man erst einmal hinbekommen: sowieso schon niedrige Erwartungen noch zu unterbieten. Die neue Bundesregierung hat genau dieses in rekordverdächtiger Geschwindigkeit geschafft. Statt durch das „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität“ endlich in eine Mobilitätswende oder auch nur den Erhalt bestehender Infrastruktur zu investieren, wird das Geld für das Stopfen von Haushaltslöchern, die Senkung von Gaspreisen und den Straßenbau verwendet. Für dringend nötige Schienenbauprojekte in Schleswig-Holstein bedeutet dies nichts Gutes.

Mitte September ging eine Hiobsbotschaft durch die Republik: Für unzählige Verkehrsprojekte stünde laut einem Gutachten des Bundesverkehrsministeriums kein Geld mehr zur Verfügung. In den Medien wurde sich vor allem auf den dann ausbleibenden Autobahn-Ausbau gestürzt und dieser lautstark beklagt. Doch auch Schienenbauprojekte und Wasserstraßen waren bei dieser Aussage mitgemeint.

Anlass für diesen Paukenschlag des neuen Bundesverkehrsministers Patrick Schnieder (CDU) war die Tatsache, dass in den Haushaltsplänen für 2025 und 2026 der Ansatz für das Bundesverkehrsministerium erheblich zusammengestrichen wurde. Für das bereits lange laufende Haushaltsjahr 2025 wurden jetzt Ausgaben in Höhe von 38,3 Mrd. Euro beschlossen, im Entwurf des Bundeshaushaltes 2026 sind nur noch 28,2 Mrd. Euro vorgesehen. Zum Vergleich: Der Haushaltsentwurf der vorangegangen Ampel-Regierung für 2025 hatte noch knapp über 50 Mrd. Euro für das Verkehrsressort vorgesehen.

„Verschiebebahnhof“ statt zusätzlicher Investitionen

Es ist eingetreten, wovor viele gewarnt hatten: Das nach der Bundestagswahl noch mit dem alten Bundestag einigermaßen dramatisch geschaffene „Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität (SVIK)“ in Höhe von 500 Mrd. Euro wird eben nicht für zusätzliche Investitionen verwendet, sondern als „Verschiebebahnhof“ genutzt, um Spielräume im Bundeshaushalt zu schaffen (z.B. damit bei Restaurantbesuchen zukünftig nur noch 7 % statt 19 % Mehrwertsteuer fällig werden).

Ganz in diesem Sinne ist der neue Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) auf die Idee gekommen, insbesondere den Verkehrs-Etat hart zusammenzustreichen und Ausgaben auf das Sondervermögen zu verlagern. So soll jetzt die bereits laufende Generalsanierung der verkehrsreichsten Eisenbahnstrecken fast vollständig aus dem SVIK finanziert werden, von einer „zusätzlichen Investition“ kann dabei keine Rede sein.

Was bedeutet das für Schleswig-Holstein?

Auch für Schleswig-Holstein bedeuten diese faktischen Mittelkürzungen für Verkehrsinvestitionen nichts Gutes. Neben unklarer werdendem Zeitplan für die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals und einiger Autobahnprojekte trifft es im echten Norden vor allem dringend benötigte Schienenbauprojekte.

So war noch Anfang des Jahres vorgesehen, dass der zweigleisige Ausbau der Marschbahn nach Sylt auf den Streckenabschnitten Niebüll – Klanxbüll und Morsum – Westerland zeitnah beginnen und bis 2030 abgeschlossen sein sollte. Kostenpunkt: ca. 220 Mio. Euro. Man war sich dieser Sache so sicher, dass das eigentlich nicht dafür zuständige Land in Vorkasse gegangen ist, um Planungen zu finanzieren.

Daraus wird nun voraussichtlich nichts. Stand der Dinge ist, dass der zweigleisige Ausbau der Marschbahn für das Bundesverkehrsministerium keine Priorität besitzt. Ein tatsächlicher Baubeginn wäre so frühestens ab 2045 realistisch.

Ähnlich ergeht es der im aktuellen Bundesverkehrswegeplan noch vorgesehenen Elektrifizierung der Strecke Lübeck – Lüneburg, welche vor allem für eine Entlastung Hamburgs von Schienengüterverkehr von Bedeutung gewesen wäre. Ebenso wird die geplante Elektrifizierung der Strecke Itzehoe – Wilster – Brunsbüttel auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben, welche für den Industriepark in Brunsbüttel von großer Bedeutung gewesen wäre und von dort ansässigen Betrieben massiv eingefordert worden ist. Für das erklärte Ziel „mehr Güter von der Straße auf die Schiene“ keine guten Nachrichten.

Elmshorn bleibt noch Jahrzehnte Engpass

Große Hoffnungen waren auf die geplante Errichtung eines dritten und vierten Gleises zwischen Elmshorn und Pinneberg gelegt worden. Dieser Streckenabschnitt ist für alle Nord-Süd-Verbindungen ein völlig überlasteter Engpass, welcher tagtäglich zu Verspätungen führt. Ein Ausbau ist schlicht notwendig, um das bestehende Verkehrsaufkommen zu bewältigen – und um dem Ziel näher zu kommen, dass mehr Leute mit der Bahn fahren, erst recht.

Die Stadt Elmshorn hatte seit Jahren schon sehr viel Geld investiert, da sie ihre gesamte Stadtentwicklungsplanung an der Erneuerung von Gleisanlagen und Bahnhof ausgerichtet hat. Daraus wird nun nichts: Laut Bundesverkehrsministerium soll das Projekt frühestens in zehn Jahren wieder aufgegriffen werden, womit bisherige Planungsleistungen obsolet werden dürften. Auch bei diesem für den Bahnverkehr in Schleswig-Holstein so entscheidenden Streckenabschnitt dürften Bauarbeiten Stand jetzt erst in den späten 2040er Jahren beginnen.

Und das Land?

Auch das Land Schleswig-Holstein wird Gelder aus dem Sondervermögen erhalten – insgesamt 3,4 Mrd. Euro, verteilt über zwölf Jahre. Hiervon fließt mehr als die Hälfte direkt an die Kommunen, um ihnen dringend notwenige Investitionen zu ermöglichen. Von den beim Land verbleibenden 1,3 Mrd. Euro werden 550 Mio. Euro in die Verkehrsinfrastruktur investiert, davon 200 Mio. Euro in die Schiene.

Als davon zu realisierende Projekte nennt die Landesregierung eine neue Bahnhaltestelle Henstedt-Ulzburg West, die Finanzierung der Planung von Ausbau und Elektrifizierung der Strecke Neumünster – Bad Oldesloe sowie „Infrastrukturanpassungen für das Flügelkonzept Jübeck – Flensburg“.

Tatsächlich handelt es sich bei all diesen Projekten – anders als beim Bund – um zusätzliche Investitionen im Sinne des Grundgesetzes, die ansonsten nicht bzw. nicht in absehbarer Zukunft realisiert worden wären.

Das insgesamt geringe Volumen, ca. 16,6 Mio. Euro pro Jahr zusätzlich für die Schiene, zeigt aber auch, dass große Sprünge trotz Sondervermögen schlicht nicht möglich sein werden.

Oder um es knallhart auf den Punkt zu bringen: Wenn die Bahn in Schleswig-Holstein in 15 Jahren noch genau so fährt wie heute, hat das Land sogar einiges richtig gemacht, und wenigstens den weiteren Verfall gestoppt. 

Zumindest danach sieht es derzeit wenigstens aus.

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