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Mobilität in der Stadt,
Verkehrspolitik
Ortsgruppe Flensburg
Der Jurist Dr. Ulf Kämpfer ist seit 2014, also inzwischen sieben Jahre, Oberbürgermeister der Stadt Kiel. 2019 wurde er wiedergewählt. Er sagt: "Kiel ist jahrzehntelang eine autogerechte Stadt gewesen. Wir machen Mobilität in Kiel moderner, umwelt- und menschenfreundlicher und bezahlbarer."
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Mobilität ist ein menschliches Bedürfnis. Wir respektieren das. Unser Ziel ist nicht weniger, sondern eine andere Mobilität.
Denn die Klimawende verlangt Handeln von uns. Wir müssen den Kfz-Verkehr emissionsfrei machen und die Alternativen - Fuß-, Rad- und öffentlichen Verkehr - stärken.
Dabei geht es auch um Lebensqualität. Es ist kein Zukunftsmodell, dass die Städte mit immer größeren Autos zugeparkt werden, die 23 Stunden am Tag herumstehen und dann im Schnitt 1,3 Personen befördern. In den Städten verlieren wir durch den Kfz-Verkehr Lebensqualität - durch Lärm, Abgase, Unfallgefahr und Raumverschandelung durch riesige Parkplätze.
Zunächst zu unseren Schwächen:
Wir haben aber auch deutliche Stärken:
Die Verkehrswende besteht aus vielen einzelnen Mosaiksteinen. Die Schifffahrt ist einer davon, aber durchaus ein wichtiger. Wir wollen die trennende Wirkung der Kieler Förde "aufbohren" und bessere Ost-West-Verbindungen schaffen. Unsere Flotte wird gerade umgestellt auf Hybrid- und vollelektrische Schiffe.
Sehr stolz bin ich, dass auf der Schwentinelinie eine Fähre inzwischen vollelektrisch unterwegs ist. Betriebszeiten und Takt wurden ausgeweitet und die Preise stark gesenkt.
Wenn man bisher mit dem Fahrrad hin und zurück fahren wollte, muss man über 12 Euro zahlen. Jetzt zahlt man hin und zurück 2 Euro. Jugendliche sogar nur 1 Euro, Studierende mit dem Semesterticket kostenlos. Wir freuen uns, dass immer mehr Menschen das nutzen, z.B. Lernende und Lehrende von der Fachhochschule.
Viele glauben, die Verkehrswende sei ein Nullsummenspiel. Es gibt sicher Konflikte, aber der Vorteil der einen Verkehrsart muss keineswegs immer zu Lasten einer anderen Verkehrsart gehen.
Wir wollen breitere und bessere Fahrradwege, mehr Platz für Fußverkehr und Platz für eine Stadtbahn. Aus meiner Sicht muss man da stärker trennen und Hauptachsen schaffen: Auf der einen Straße hat man vielleicht keinen optimalen Fahrradweg. Dafür ist die Parallelstraße eine Fahrradstraße, in der vielleicht noch Autos fahren dürfen, aber kein Durchgangsverkehr mehr. Man kann nicht immer in einer Straße alles unterbringen und alle Konflikte lösen, sondern muss manchmal großräumiger denken.
Alle haben ein legitimes Interesse gut voranzukommen, aber wir müssen die Verkehre besser sortieren. Oft muss man für Straßen eine Hauptwidmung vornehmen. Denn alles kriegt man einfach nicht hin. Man kann nicht allem gerecht werden, da macht man häufig faule Kompromisse und niemand ist zufrieden.
Dabei gibt es natürlich Zielkonflikte. Aber Technologien und Branchen ändern sich. Wir gehen davon aus, dass wir bis 2050 ein Drittel weniger Pkw haben. Die Automobilbranche steht vor der Transformation. Dafür werden andere Wirtschaftszweige - Mobilitätsangebote, Fahrradhersteller, Hersteller von öffentlichen Verkehrsmitteln - profitieren. Wirtschaftsförderung und Verkehrswende widersprechen sich also nicht.
Eine andere Sache ist es, wenn z.B. einzelne Händler vor dem Problem stehen: Vor meinem Geschäft sollen Parkplätze wegfallen, weil eine Premium-Radroute gebaut werden soll. Oder die Anlieferung wird erschwert.
Das sind reale Konflikte mit Unternehmen, die dann teilweise Existenzängste bekommen. Da muss man sehr viel sprechen, erklären und gegebenenfalls einen Kompromiss oder Übergangszeitraum finden, damit die Betroffenen sich damit anfreunden können. Das ist nicht immer einfach.
In der Theorie akzeptieren fast alle, dass sich etwas ändern muss. Aber wenn es dann umgesetzt werden soll, fällt es manchen doch schwer, die Veränderungen zu akzeptieren. Hier Lösungen zu finden ist eine herausfordernde Aufgabe.
Thema Parkplätze: Wenn ich in einem dicht belegten Viertel sage "Ab morgen wird konsequent kontrolliert und abgeschleppt", dann gehen die Leute auf die Barrikaden. Deshalb sprechen wir zum Beispiel mit Einzelhändlern und sagen: Ihr habt tagsüber Kunden. Aber um 19:00 Uhr, wenn die Leute von der Arbeit kommen, ist euer Parkplatz leer. Könnt ihr nicht z.B. für einen Monatsbeitrag von zwanzig Euro den Leuten da einen Parkplatz garantieren?
Dann haben die Anwohnenden ihren Parkplatz, ganz ohne Suchverkehr, und ich kann mehr Platz für zu Fuß Gehende schaffen.
Auch in dreißig Jahren wird es noch Autos geben, aber die sind weniger, leiser und emissionsfrei. Wenn ich ein Stadion plane, muss ich Platz für ein Mindestmaß an Autos vorsehen. Im Vergleich zu anderen Stadien wird unser Verkehrskonzept wesentlich fortschrittlicher sein, aber wir werden das Parken nicht auf Null drücken können.
Zum Parkhaus am ZOB: Da haben wir einen zentralen Omnibusbahnhof. An vielen Stellen in der Innenstadt reduzieren wir Parkplätze, hier ziehen wir das Parken zusammen. Man kann sein Auto hier sicher und bequem abstellen. Dadurch haben wir weniger Rangier- und Suchverkehr und mehr Platz auf den Straßen, um den Verkehrsraum besser aufzuteilen. Wir werden künftig weniger Parkplätze brauchen, aber wir werden noch welche brauchen.
Beim Theoder-Heuss-Ring waren Luftfilter die einzige Möglichkeit, ein Fahrverbot zu verhindern. Wir schützen die Anwohnenden, weil die Luft durch die Filter sauberer wird. Gleichzeitig vermeiden wir es, dass Pkw wegen eines Fahrverbots millionenfach Umwege fahren, um ihre Ziele zu erreichen. Mit einem Fahrverbot würden wir den Kfz-Verkehr von der Hauptverkehrsachse in Nebenstraßen lenken. Das würde neue Unfallgefahren schaffen und die Anwohnenden durch Lärm, Stau und Abgase belasten – auch der CO2-Ausstoß wäre wesentlich höher. In der Summe ist das keine besonders tolle Lösung, ist aber allen dümmeren Lösungen vorzuziehen.
Die Autobahn ist ein großer Konflikt, aber vom Bund beschlossen. Sie wird gebaut, das ist Tatsache - und es geht jetzt darum, wie der Verkehr, der am Ortsschild in Kiel ankommt, verteilt wird. Was die umweltschonendste Lösung ist, ist umstritten. Wir werden versuchen, eine möglichst gute Lösung zu finden. Aber mir ist klar, das wird eine schwierige, kontroverse und hitzige Diskussion. Das wünscht man sich nicht als Bürgermeister, aber so ist Politik.
Ja, es war ein enormes Stück Arbeit, all die verstreuten Beschlüsse von Bundesplanung bis hin zum Ortsbeirat zu sichten und zusammenzufassen. Selbst Fachleute hatten da den Überblick verloren. Das ist jetzt unsere "Bibel" für die Verkehrswende in Kiel und alle paar Jahre werden wir das aktualisieren.
Meine persönliche Vision für Kiel im Jahr 2030:
Was tun Städte in Schleswig-Holstein, um den Verkehr klimafreundlicher zu machen?