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Ortsgruppe Flensburg
Die Landesverbände von VCD und PRO BAHN haben im Juni 2018 Vorschläge zur Einführung einer Regio-S-Bahn in der Region Flensburg vorgestellt. Sie soll den Nordosten Schleswig-Holsteins um das Oberziel Flensburg bis nach Dänemark hinein erschließen. Welche Verkehrsleistung erbringt eine Regio-S-Bahn? Welche Vorteile sind damit verbunden? Im Gespräch ist auch eine Regional-Stadtbahn, die auf Schienen im Straßenraum durch Flensburg fahren soll. Fragen und Antworten - Teil III!
Inhalt:
Teil I: Reaktivierung Bahnstrecke Niebüll-Flensburg: Fragen und Antworten – mehr
(als PDF-Datei: mehr)
Teil II: Neuer Bahnhalt Flensburg Stadt am ZOB – Fragen und Antworten – mehr
(als PDF-Datei: mehr)
Teil III: Mit der S-Bahn ins Umland und nach Dänemark – ein grenzüberschreitendes Vorhaben
(als PDF-Datei: mehr)
Eine Regio-S-Bahn ist eine elektrisch betriebene Eisenbahn zur Personenbeförderung in Städten und ihrem Umland. S-Bahnen haben in der Regel einen Taktfahrplan, einen geringen Haltestellabstand und sind vernetzt mit den übrigen Verkehrsmitteln in Nah- und Fernverkehr. Grundlage für S-Bahnen ist das Schienennetz der Bahn. Bei Bau und Betrieb gelten gesonderte rechtliche Regelungen. Der Begriff S-Bahn wurde in Berlin geprägt, wahrscheinlich als Abkürzung für die dortige "Stadtschnellbahn", Urtyp aller S-Bahn-Systeme (Wikipedia: mehr).
Ein Regionalexpress verbindet Mittel- und Oberzentren möglichst schnell durch möglichst wenige Haltepunkte. Eine Regio-S-Bahn dagegen erschließt den ländlichen Raum durch eine hohe Anzahl von Bahnstationen und einen dichten Takt. So wird das Umland besser an Flensburg angebunden. Eine enge Taktung, ein zuverlässiges Angebot und ein wohnortnaher Haltepunkt - das ist genau, was viele Menschen benötigen, die nach Flensburg zur Schule, zum Arbeiten oder zum Einkaufen fahren.
Als schienengebundenes Verkehrsmittel hat eine Regio-S-Bahn einen eigenen Fahrweg. Damit ist sie unabhängig von Staus und Behinderungen im Straßenverkehr und zudem erheblich schneller: Während die Fahrzeit zwischen Niebüll und Flensburg mit dem Bus derzeit eine gute Stunde dauert, beträgt die Fahrzeit auf der Schiene etwa 35-40 Minuten.
Im Vergleich zum Bus wird eine S-Bahn auch als erheblich komfortabler empfunden, was erfahrungsgemäß zu Fahrgastzuwachs bei einer entsprechenden Umstellung führt ("Schienenbonus").
"Vergleichende, wissenschaftliche Ex-Post-Untersuchungen haben eine regelmäßig erreichte Nachfragezunahme um bis zu 85% ermittelt. Davon waren ca. 10-15 % Kunden, die zuvor den ÖPNV nicht benutzt haben" (KCW GmbH: Vergleich Straßenbahn und Bussysteme. S. 40. VEP Erlangen. Hervorhebungen nachträglich eingefügt. PDF-Datei - mehr).
Umsteigefrei in die Innenstadt oder mit einem einzigen Umstieg in die Flensburger Stadtteile zu kommen, ist eine deutliche Verbesserung zur bisherigen Situation. Bisher muss man dafür am Bahnhof in den Bus umsteigen oder einen längeren Fußweg Richtung Zentrum in Kauf nehmen. Gegebenenfalls gilt es dann wieder am ZOB den Anschlussbus zu erreichen.
Sowohl in der Region als auch in der Stadt Flensburg profitieren die Fahrgäste davon, wenn sie deutlich schneller in der Flensburger Innenstadt sind als bisher. Das macht Flensburg besser erreichbar und bedeutet eine wesentliche Stärkung als Oberzentrum und touristisches Ziel.
Die Vorschläge von VCD und PRO BAHN sehen folgende Regio-S-Bahn-Linien vor:
Auf den Bahnstrecken Flensburg-Süderbrarup und Flensburg-Schleswig soll das Angebot von einem 60-Minuten-Takt auf einen 30-Minuten-Takt verdichtet und zusätzliche Bahnstationen errichtet werden. Das Angebot auf den Bahnstrecken Flensburg-Niebüll und Flensburg-Tinglev-Fredericia-/-Sønderborg wird ebenfalls im 30-Minuten-Takt neu eingerichtet.
Folgende neue Bahnstationen für eine Regio-S-Bahn sieht das Konzept für das Stadtgebiet Flensburg vor:
Ziel ist, alle Regio-S-Bahn-Linien im 30-Minuten-Takt über einen neuen Haltepunkt Flensburg Nikolaiallee nach Flensburg ZOB zu führen. In den Tagesrandlagen ist es vorstellbar, dass auch Intercity-Verbindungen, die in Flensburg Weiche beginnen und enden und weiter nach Dänemark oder nach Hamburg fahren, über Flensburg ZOB gelenkt werden.
Dafür erstellen das Land Schleswig-Holstein und NAH.SH mit den entsprechenden Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen Fahrplan-Entwurf. Daraus werden die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen abgeleitet, um mit der Inbetriebnahme des Streckenabschnitts Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB die Verkehrsleistungen pünktlich und zuverlässig zu erbringen.
Im Rahmen der Errichtung einer neuen Bahnstation Flensburg ZOB kann auch die von der Stadt Flensburg geplante Erweiterung des ZOB umgesetzt werden. Die neue Bahnstation Flensburg/Stadt am ZOB und der erweiterte ZOB können so geplant werden, dass Schienen- und Busverkehr optimal verknüpft sind und mit der Regio-S-Bahn alle Stadtteile maximal mit einem Umstieg erreichbar sind.
Für den Betrieb in der Region Flensburg und Dänemark können Zweisystem-Triebwagen mit Wechselstrom und für Dänemark mit 25 kV 50 Hz verwendet werden. Alternativ, wenn eine Elektrifizierung des Schienennetzes hier nicht rechtzeitig oder gar nicht erfolgt, ist die Ausstattung mit Akkumulatoren vorzusehen. Mit Strom aus regenerativen Energien fahren die Züge klimaneutral.
Die notwendigen Triebwagen können - wie die Triebwagen FLIRT Akku des Herstellers Stadler - vom Land Schleswig-Holstein und NAH.SH beschafft und den Eisenbahn-Verkehrsunternehmen für das Erbringen der Verkehrsleistungen bereitgestellt werden.
Für die Bahnstrecken Flensburg-Süderbrarup-Eckernförde-Kiel, Flensburg-Niebüll und Flensburg-Tinglev-Fredericia/-Sønderborg sollten einstöckige Triebwagen eingesetzt werden, für die Bahnstrecke Flensburg-Schleswig(-Rendsburg-Neumünster-Hamburg) aufgrund der im Zulauf auf den Knoten Hamburg notwendigen Kapazitäten doppelstöckige Triebwagen.
Ob eine Reaktivierung der Bahnstrecke von Niebüll zu einer neuen Bahnstation Flensburg ZOB verkehrlich und wirtschaftlich sinnvoll ist, lässt sich mit einer Machbarkeitsstudie und der damit verbundenen Standardisierten Bewertung zur Ermittlung des Nutzen-Kosten-Faktors ermitteln. Das obliegt dem Land Schleswig-Holstein und NAH.SH als verantwortlicher Aufgabenträgerin für die Bestellung der Verkehrsleistungen und der Vorhaltung von Schieneninfrastruktur im schienengebundenen Personen-Nahverkehr. Vorabeinschätzungen gehen übereinstimmend davon aus, dass der Nutzen erheblich größer wäre als die anfallenden Kosten.
Ein Wert über 1,0 besagt, dass das Vorhaben volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Beim Experten-Podium von VCD Nord und PRO BAHN wurde am 26.10.2020 von einem Quotienten von 8 gesprochen für die Strecke Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB (VCD Flensburg: Experten-Podium, 26.10.2020. Mitschrift. S. 15/16. PDF-Datei - mehr).
Der Zeithorizont für die Einführung einer Regio-S-Bahn Flensburg ist unterschiedlich zu bewerten.
Wenn ein entsprechender Beschluss des Landes Schleswig-Holstein vorliegt, erstellen das Land Schleswig-Holstein und NAH.SH mit den Eisenbahninfrastrukturunternehmen einen Fahrplan-Entwurf als Grundlage für die Kostenschätzung. Daraus werden die Infrastrukturmaßnahmen abgeleitet, die nötig sind, um die Verkehrsleistungen mit der Inbetriebnahme pünktlich und zuverlässig zu erbringen. Auf dieser Grundlage lässt sich dann das Investitionsvolumen einer Regio-S-Bahn in der Region Flensburg realistisch beziffern.
Grundsätzlich gilt, dass das Land Schleswig-Holstein, NAH.SH und das Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus den Finanzmitteln des Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetzes (GVFG) und der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) die Investitionen der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen übernehmen. Ausgenommen sind die Investitionen für die Ausgestaltung des Umfeldes der neuen Bahnstationen. Diese sind von den einzelnen Gemeinden und Städten zu finanzieren. Dies wird jedoch vom Land Schleswig-Holstein und der NAH.SH aus den Finanzmitteln des Gemeindeverkehrs-Finanzierungsgesetzes (GVFG) gefördert.
Für die Kreise und die kreisfreien Städte als Aufgabenträger für den ÖPNV bedeutet es eine finanzielle Entlastung, wenn Verkehrsleistungen im ÖPNV durch den Ausbau des Schienenverkehrs oder die Reaktivierung der Bahnstrecke ersetzt werden. Als Aufgabenträger für den ÖPNV können sie die Verkehrsleistungen auf den entsprechenden Buslinien abbestellen und die dafür verwendeten ÖPNV-Mittel für den Ausbau des Angebotes auf anderen Buslinien oder für eine Einführung eines Bahn-Bus-Konzeptes verwenden.
Eine Regio-S-Bahn in der Region Flensburg nutzt im Stadtgebiet Flensburg die bestehende Bahnstrecke Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB. Der Straßenraum bleibt damit frei für andere Nutzungen.
Die Einrichtung eines Radwegs Flensburg Wilhelminental bis Flensburg ZOB an der Bahnstrecke Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB ist, wie eine von der NAH.SH betreute Masterarbeit der Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft aufzeigt, technisch ebenfalls machbar (VCD Flensburg: Per Rad und Schiene in die Innenstadt Flensburg: Chance für Stadtentwicklung und Klima – mehr).
Das Ziel ist, die bestehende Bahntrasse Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB zu modernisieren und zu elektrifizieren. Insofern ist nicht vorgesehen, anliegende Grundstücke zu beanspruchen oder sich darauf befindliche Flächen und Häuser einer anderweitigen Nutzung zuzuführen. Eine Elektrifizierung ist mit einer geringeren Lärm- und Schadstoffbelastung verbunden.
Im Dialog mit den Anliegern der Bahnstrecke Flensburg Wilhelminental-Flensburg ZOB und der Stadt Flensburg ist gemeinsam zu überlegen, wie sich die modernisierte und elektrifizierte Bahnstrecke optimal in das Landschafts- und Stadtbild integrieren lässt und wie die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen anliegerfreundlich umgesetzt werden können.
Die Ratsversammlung der Stadt Flensburg hat beschlossen, die Einführung eines RegionalStadtBahn(RSB)-Systems in der Region Flensburg untersuchen zu lassen. Eine solche RSB-Bahn, auch Stadt-Umland-Bahn oder Tram-Train genannt, ist eine Verknüpfung von Straßenbahn und Eisenbahn.
Ziel ist es dabei, Innenstadt und Umland miteinander zu verknüpfen und umsteigefreie Direktverbindungen zwischen Straßenbahn- und Bahnsystemen zu schaffen. Dafür kommen oft Mehrsystemfahrzeuge zum Einsatz oder Strecken werden so angepasst, dass die vorhandenen Fahrzeuge in das jeweils andere System übergehen können. Die Fahrzeuge gehören zu den Leichten Nahverkehrstriebwagen.
Eine Zweisystem-Stadtbahn überwindet also die Systemgrenzen zwischen Eisenbahn und Straßenbahn: An geeigneten Stellen geht sie vom Eisenbahn- auf das Straßenbahnnetz über und kann somit als Straßenbahn mitten in die Großstädte hineinfahren – der Umsteigezwang für die Fahrgäste entfällt.
In der Region Karlsruhe wurde 1992 erstmals eine solche Zweisystem-Stadtbahn im engeren Sinne eingeführt, um umsteigefreie und damit attraktive Stadt-Umland-Verbindungen zu schaffen. Dafür wurden vorhandene Bahnstrecken umgebaut und Erweiterungen vorgenommen (Wikipedia – mehr).
Eine RegionalStadtBahn würde im Stadtgebiet der Stadt Flensburg den Straßenverkehrsraum nutzen. In der Untersuchung ist daher zu prüfen, welchen Einfluss eine RegionalStadtBahn auf die Ausgestaltung und die Nutzung des begrenzten Straßenverkehrsraumes hat. Viele verschiedene Interessen müssen geprüft und abgewägt werden. Entsprechende Planungen erfordern daher dann auch einen relativ großen Zeitraum.
Wie bereits in Karlsruhe zu verfolgen, ergänzen sich beide Systeme.
Wichtig ist dabei, dass parallel zu einer Reaktivierung der Bahnstrecken bereits entsprechende Planungen für einen weiteren Ausbau in Angriff genommen werden.
Dazu eine Stellungnahme aus Karlsruhe:
"In Flensburg liegt ja die Eisenbahnstrecke sehr zentral nahe der Innenstadt. Aus meiner Sicht ist das ein Geschenk, wenn man schon eine Infrastruktur hat, die man in ein Schienenverkehrskonzept einbinden kann. Die steht zeitlich relativ schnell zur Verfügung, im Vergleich zu einem kompletten Neubau. Das ist der Startschuss, den wir auch immer gesucht haben, um dieses System vor Ort zu entwickeln - mit dem entsprechenden Erfolg …
Zum 25-jährigen Jubiläum haben wir uns angeschaut: Wie haben sich eigentlich die Gemeinden an der Achse Karlsruhe - Heilbronn ... entwickelt. Heilbronn ist eine Großstadt mit ca. 130.000 Einwohnern, auch dort fahren wir direkt in die Innenstadt hinein. Dazwischen befindet sich ein eher ländlich geprägter Raum.
Alle hier liegenden Gemeinden haben eine sehr positive Entwicklung gemacht. Ich will nicht sagen, dass das nur an der Stadtbahn liegt, aber sie ist auf jeden Fall ein wichtiger Standortfaktor für diese Gemeinden geworden. Heute ist es wichtig für die Gemeinden, diesen Stadtbahnanschluss zu haben."
So Ascan Egerer, Geschäftsführer der Albtal-Verkehrs-Gesellschaft und der Verkehrsbetriebe Karlsruhe GmbH, Betreiber des größten deutschen Regionalstadtbahnsystems und Experte für Zwei-System-Schienenfahrzeuge (VCD Flensburg – mehr).
Der Bundesländerindex von BUND, Allianz pro Schiene und Deutschem Verkehrssicherheitsrat hat 2020 überprüft, wieweit es den Bundesländer gelingt, die Treibhausgas-Emissionen aus dem Verkehr abzubauen, um das von der Bundesregierung angestrebte Minus von 40 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 zu erreichen.
Tatsächlich ist Schleswig Holstein eines der Länder mit dem größten CO2-Zuwachs im Verkehr. Die Zahl der Schwerverletzten im Straßenverkehr pro Million Einwohner ist – entgegen dem Trend – im Jahr 2019 gestiegen und liegt deutlich über der Zahl der Schwerverletzten 2014.
Insgesamt sank das Bundesland ab auf einen vorletzten Platz im Länderranking (Allianz pro Schiene, DVR, BUND: Bundesländerindex Mobilität&Umwelt 20/20/21. 10/2020 – mehr).
Kraftvolle Schritte zu Klimaschutz und Unfallprävention sind also notwendig und dringend. Doch eine Wende zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln kann nur gelingen, wenn es zeitnah nachhaltige und attraktive Alternativen gibt.
Bis 2020 sollten in Flensburg 30 Prozent weniger Treibhausgase anfallen als 1990, so der Ratsbeschluss. Laut aktuellem Klimaschutzbericht der Stadt gab es jedoch im Verkehr bisher keinerlei(!) Rückgang.
Als ökologischer Verkehrsclub fordern wir: Für die Wende zu klimafreundlichen Verkehrsmitteln muss die benötigte Infrastruktur geschaffen werden. Die Reaktivierung von Bahntrassen gilt dabei als wichtiger Baustein. Ein solches Vorhaben betrifft die Stadt Flensburg und darüber hinaus die gesamte Region. Deshalb unterstützen und fördern wir die Diskussion über dies Vorhaben.
Denn als einziges Oberzentrum im nördlichen Schleswig-Holstein ist Flensburg ein Hauptziel für Berufstätige, Schüler:innen, Studierende, Einkaufs- und touristischen Verkehr. Und das soll auch gerne so bleiben.